Als meine Eltern geheiratet haben, hat meine Mutter, wie in der Zeit üblich, den Nachnamen meines Vaters angenommen. Ihr früherer Nachname war seitdem ihr “Mädchenname”.
Als meine Frau und ich vor 29 Jahren in Berlin geheiratet haben, mussten wir – wie jedes Hochzeitspaar – die Frage nach dem künftigen Nachnamen klären. Damals war es in Deutschland noch nicht möglich, dass jeder Partner seinen Nachnamen behalten kann. Entweder musste ein Partner den Nachnamen des anderen annehmen, oder als Kompromiss den eigenen mit dem des Partners zu einem Doppelnamen kombinieren. Dadurch entstanden berüchtigte Zungenbrecher wie “Leutheuser-Schnarrenberger” oder (ganz neu!) “Kramp-Karrenbauer”. Es waren die Frauen, die sich einen Doppelnamen zulegten. Doppelnamen waren für mich damals (wie heute) eine ästhetische Beleidigung, also kam diese Alternative nicht in Frage, weder für mich noch für meine Frau. Da meine Frau bereits eine berufliche Reputation hatte und mein Nachname schon aufgrund der Größe meiner Familie in Berlin bekannt war andersgelagerte Reputation hattee (ohne mein Zutun!), konnte ich davon überzeugt werden, meinen Nachnamen fallen zu lassen und den Namen meiner Frau anzunehmen. Ich hatte ja bereits vorher meine Vornamen ändern bzw. streichen lassen, von der Idee meiner Eltern bei meiner Geburt war eh nichts mehr übrig geblieben. Also war von da an hinfort auch der Nachname nur noch Schall und Rausch. Mein Vater hat sich darüber nicht gefreut.
Ich habe in meinem ganzen Leben genau einen Mann getroffen, der nach einer Eheschließung den Doppelnamen angenommen hat. Und keinen einzigen Mann, der den Namen seiner Frau angenommen hat. Alle, alle, alle Männer haben immer, immer, immer ihren Namen behalten. Die Frauen haben entweder einen Doppelnamen gewählt oder den Namen des Mannes angenommen, oder meist (seitdem es möglich ist) ihren eigenen Namen behalten. Wäre es damals möglich gewesen, wir hätten sicherlich beide unseren Nachnamen behalten. Dann hätten wir noch knobellen müssen, welchen Namen die Kinder kriegen, so wie das alle Eltern seit 20 Jahren machen.
Als Mann den Namen der Frau anzunehmen, ist nicht nur ein formaler Akt. Es bedeutete für mich auch einen Akt der Emanzipation. Emanzipation von Rollen, die uns Männern auferlegt werden, die sich in einer Familienkonstellation darin begnügent, das “Ernährer und Oberhaupt der Familie” zu sein. Und entsprechend der die Frau ihre zugewiesenen Rollen zuweisen (Kinder, Haushalt, soziale Kontakte pflegen). Ich bin im Laufe der Jahre immer wieder auf erhebliche Widerstände gestoßen, wenn ich in Bereiche eingedrungen bin, die “weiblich” oder “mütterlich” besetzt waren. Mit den Kindern bin ich gerne auf den Spielplatz gegangen, allerdings erinnere ich mich ungern an feindselige Mütter, die in mir eher einen pädophilen Sonderling als einen Vater sahen. Väter auf Spielplätzen sind glücklicherweise inzwischen normal. Wenn ich allerdings lese, dass Eltern gegen männliche Erzieher protestieren, hat sich vielleicht doch noch nicht so viel geändert.
Wir alle kämpfen mit den gesellschaftlichen Erwartungen an unsere Rollen. Unsere Identität als Sohn, Vater, Partner, Bruder oder bei der Arbeit. Unsere (wir Männer) Emanzipation von den uns zugewiesenen und erwarteten Rollen hat gerade erst in kleinen Schritten begonnen. Den Namen der Frau anzunehmen, ist keine große Leistung. Aber es war ein Anfang und hat immer wieder zu lebhaften Diskussionen geführt.
Nun also lassen wir uns scheiden. Das interessiert kaum jemanden, denn in unserem Alltag wird sich, nachdem wir zehn Jahre getrennt leben, nichts ändern.
Was ich bisher noch nicht wusste: so wie vor einer Hochzeit über den künftigen Nachnamen diskutiert wird, so wird das auch vor einer Scheidung. Jedenfalls wenn man durch Heirat den Nachnamen geändert hat. Diese Diskussionen wird es künftig immer seltener geben, wer gibt heute noch seinen Namen her?
Mir fiel in diesen Gesprächen auf, dass ich nicht genau wusste, wie ich meinen künftigen, früheren Namen eigentlich benennen soll. Geburtsname? Das ist ja Quatsch, ich war ja zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht frisch geboren sondern hätte schon Großvater sein können. Frauen haben es da einfacher: Es ist ihr “Mädchenname”. Das klingt ein bisschen altertümlich und verstaubt.
Ich werde demnächst also wieder meinen “Jungennamen” annehmen. Ich bin mir sicher, auch mein Vater hätte sich darüber gefreut.
Carsten Winkler
12. März 2018 — 0:32
Hallo Frieder, mit dem einzigen, der den Namen der Frau angenommen hat meinst Du x-stein? Dann kennst Du noch wenigstens einen zweiten. Auch wenn ich (ich nenn ihn meist provokant genau so) meinen Mädchennamen inzwischen wieder angenommen habe; was übrigens nicht automatisch passiert sondern nur auf Antragstellung, die nichts mit dem Scheidungsurteil zu tun hat. Viele Grüße
Carsten Winkler
PS my father was not at all amused in 1985 😉
Frieder
12. März 2018 — 22:23
Hallo Carsten,
siehste, wusste ich nicht. Du kennst es also, den Mädchennamen wieder anzunehmen. Ich denke mal, um den Antrag zu stellen, brauche ich aber das rechtskräftige Urteil – es ist unterwegs.
Gero Seelig
12. März 2018 — 1:44
Ah, Frieder, das berührt mich. Du bist oft mein Beispiel gewesen, dass es das gibt, den Mann der den Namen ändert. Übrigens habe ich einen Kollegen, der den Doppelnamen führt, Frau und Kinder den der Frau; also Nummer zwei (weitere kenn ich auch nicht). Er ist deutlich jünger als wir.
Zum Rück-ändern fällt mir meine Großmama ein, die dann ihr ganzes Leben (bis auf die fünf Jahre Ehe) anders hieß als ihre beiden Töchter, mit denen sie zusammen lebte und die ihr das Übel nahmen. Das ist bei Dir anders, die Kinder sind groß, aber doch… Na ganz sauber sind die modernen Familienverhältnisse nicht aufzulösen oder zu sortieren.
Jedenfalls wünsche ich viel Dir viel Glück. Ich war ja Dein Trauzeuge und hatte eine Weile ein seltsames Gefühl, mich bei Eurer Trennung nicht mehr engagiert zu haben. Inzwischen glaube ich, dass Äußeres darauf kaum Einfluss hat.
Herzliche Grüße und alles Gute! Gero
Frieder
12. März 2018 — 22:27
Lieber Gero,
vielen Dank für Deine Nachricht. Deine Rolle als Trauzeuge wäre etwas überhöht, wenn damit Differenzen nach 20 Jahren gelöst werden könnten. Aber es ist auch so alles in Ordnung, und für die Kinder ist es auch OK. Von allen Geschwistern gibt es einen männlichen und vier weibliche Nachkommen, der den Namen meines Vater trägt.
Lena Lessing
12. März 2018 — 9:51
Das ist sehr interessant was du schreibst. Dass du nie einen Anderen getroffen hast, der den Namen seiner Frau angenommen hat, ist verblüffend, hätte ich nicht gedacht, aber es stimmt, ich kenne auch Niemanden. Ich hatte eure Entscheidung bei der Heirat, als du den Namen von Angie angenommen hast auch immer als einen Akt der Rebellion gegen starres Rollenverhalten verstanden. Ich bin sehr gespannt, ob du dich anders fühlst, wenn du wieder den Namen deiner Jugend hast. Ist dies wiederum noch einmal eine Befreiung von einer Rolle, die du 29 Jahre lang hattest oder ist ein Name letztendlich nicht so bedeutend. Ich habe mir mit 28 Jahren einen Künstlernamen zugelegt und meinen zweiten Vornamen als Rufnamen gewählt. Für mich war es ein sehr wichtiger Schritt. Ich hatte damals das Gefühl, mir mit dem „neuen“ Namen, mit dem mich nun alle rufen sollten, eine neue Identität geschaffen zu haben.
Frieder
12. März 2018 — 22:33
Ich glaube nicht, dass ich eine anderes Gefühl bei der Verwendung des Namens haben werde. Beruflich werde ich auch weiterhin mit dem bisherigen Namen auftreten, das würde die Leute nur verwirren und bringt wenig. Immerhin benutze ich privat bereits meine andere E-Mail-Adresse.
Uwe Glückstein
12. März 2018 — 12:06
Mensch, Frieder,
das kränkt mich jetzt schon ein bisschen, dass Du mich nicht mitgezählt hast!
Gruß – Uwe Glückstein, geb. Siesslack
P.S.: „Schall und Rausch“ ist nett!
P.P.S.: War da bei Dir nicht auch was mit dem Wechsel des Vornamens? Also ich kenne definitiv niemanden, der Vor- und Nachnamen gewechselt hat. Sind wahrscheinlich alle im Zeugenschutz…
Frieder
12. März 2018 — 22:31
Mensch Uwe,
das wusste ich nicht! Das hätte ich natürlich gebührend erwähnt. Das mit dem Zeugenschutz würde bei mir leider nur halb funktionieren, aber mit meinem Impfpass konnte ich schon etliche Beamten wuschig machen.