Kreativität – kann man das lernen?

 

Kreativität gehört zu den Begriffen, die für eine Weile aus dem Sprachgebrauch gelöscht werden sollten. Obwohl Kreativität an sich eine wunderbare Sache ist und ich mich selber als kreativen Menschen bezeichnen würde, kann ich das K-Wort einfach nicht mehr hören.

Wer Kreativität bei Google eingibt, erhält sage und schreibe 24.700.000 Treffer. Vierundzwanzigmillionensiebenhunderttausend! Und das sind nur die deutschsprachigen; bei creativity ist man mit 416.000.000 Einträgen dabei.

Kreativität gilt als Allheilmittel für alles, was nicht so richtig rund läuft, in der Wirtschaft und der Politik, in der öffentlichen Verwaltung und in der Wissenschaft und im persönlichen Alltag und im Privaten sowieso: Das Mantra der Kreativität diffundiert in alles, was unser Zusammenleben ausmacht.

Seit der Soziologe Richard Florida 2002 mit seinem Buch „The Rise of the Creative Class“ Furore machte, ist Kreativität so etwas wie der Heilige Gral der Wissensgesellschaft. Sie schafft nicht nur Zugang zur kostbaren Ressource Wissen, sondern produziert neue Ideen – und damit neues Wissen, neue Erkenntnisse und neue Produkte.

Ist es dann nicht einfach großartig, wenn die ganze Welt auf einmal kreativ werden will? Oder eher bedenklich – weil Kreativität als Mainstream einen Widerspruch in sich darstellt und letztlich unkreativ ist?

Hermann Vaske, selbst Künstler, Autor, Filmer und ehemaliger Werbemann, nähert sich dem K-Phänomen von einer anderen, sehr entspannten, Seite. Why are you creative? Diese eine Frage stellte er während der vergangenen 30 Jahre mehr als 1000 Menschen aus allen möglichen Sparten und Ländern. Angesprochen hat er Leute, deren Job es ist, Ideen zu haben und diese in die Tat umzusetzen: Werber, Filmemacher, Künstler, Schauspieler, Musiker und – believe it or not – Politiker.

Dennis Hopper und David Lynch, Marina Abramovic und Jim Jarmusch, David Bowie und Ai Weiwei, Nelson Mandela und Jeanne Moreau, der Dalai Lama und Björk und viele andere gaben ihre Antwort auf Postkarten, Leinwänden, Hotelbriefpapieren und Rechnungsbelegen. Meist war es nur ein Satz, manchmal zwei und manchmal in Kombination mit einer schnell hingeworfenen Zeichnung.

Die Antworten sind nun im Berliner Museum für Kommunikation in einer kleinen Kabinettschau ausgestellt. Allesamt gerahmt, hängen sie dicht an dicht, unter- und übereinander, kleine und große Bilder, kaum lesbare Krakelsätze und wohldosierte Schönschrift, witzige Kommentare und tief philosophische Ein-Satz-Erkenntnisse. Vaske hat die Wände buchstäblich tapeziert.

Natürlich sind von diesen Antworten keine tiefschürfenden Einsichten über das Wesen der Kreativität zu erwarten. Faszinierend ist aber, wie sich in der Summe der Antworten gewisse Muster herausdestillieren hinsichtlich der Funktion und der Bedeutung, die Kreativität für uns hat.

Da ist zum Beispiel das Muster „Ich kann nicht anders, ich bin so geboren“. Die Kreativität sozusagen als Charaktereigenschaft. Andere üben sich in Bescheidenheit und fragen zurück: „Bin ich kreativ?“ Und für wieder andere ist der Antrieb einfach die Neugier, „to see what’s on the other page“.

Immer wieder blitzt dabei in den Antworten eine existenzielle Dimension auf, etwa beim Art Director Jeff Goodby, für den Kreativität ein Unsterblichkeits-Elixier darstellt.

Sympathisch an der Ausstellung ist die Unaufgeregtheit, mit der das um uns alle herumwabernde Kreativitätsparadigma jenseits von Schlagworten runtergedimmt wird. Kein Pathos. Sich selber nicht so ernst nehmen. Kleine, kurze Aussagen. Vielleicht ist das ja eine gute Basis, um selber kreativ in Schwung zu kommen?

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum 8. April. Hingehen!

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