Nachdem Frieder und ich bereits mehrfach von unseren Lesern gefragt wurden, warum wir uns eigentlich in unseren Beiträgen nie aufeinander beziehen oder kommentieren, haben wir uns gedacht: stimmt, warum eigentlich nicht? Wir werden das also künftig immer mal wieder tun, wenn es passt.
So wie heute, wo ich gerne nochmal auf Frieders letzten Blogpost zurückkommen möchte. Der greift mit dem Buzzword „Digitalisierung“ nämlich ein grassierendes Phänomen auf, das alle möglichen Bereiche prägt, die unglaublich wichtig sind und die wir kaum auf den Begriff bringen können, weil sie so komplex und kompliziert sind. Energiewende, Ressourcen, Klimawandel, Bildung und Innovation gehören beispielsweise dazu. Allesamt beschreiben sie übergreifende Sachverhalte, die in unendlich vielen Verästelungen Einfluss auf unseren Alltag nehmen und in all das hineinragen, was wir für die Zukunft als bedeutsam erachten.
Diese Tatsache ist an sich nichts Neues, es gab schon immer große Begriffe – Aufklärung, Moderne, Elektrifizierung, der Kalte Krieg – die ganze Kulturgeschichte ist voll davon. Problematisch wird es allerdings, wenn so viele gleichzeitig über diese großen Dinge sprechen, schreiben, twittern, diskutieren und polemisieren und auf der anderen Seite keine Zeit bleibt, sich darüber immer wieder neu zu verständigen, weil sofort der nächste Aufreger die Aufmerksamkeit bindet und die nächste Debatte alle medialen Kanäle flutet. Oder aber es bleibt dasselbe Thema (wie zum Beispiel beim Dauerbrenner „Digitalisierung“) aber weil das Thema so groß ist, nimmt sich jede/r das Debattenstückchen, was er/sie braucht und kaut mehr oder weniger engagiert darauf herum. So entstehen Paralleluniversen des Wissens, eine Vielzahl von kleinen Themenbubbles, die in angenehmer Schwerelosigkeit durch den digitalen Äther schweben. Und so schleudern wir Buzzwords in den (digitalen) Raum, in der Hoffnung, dass die anderen das verstehen was wir mit ihnen sagen wollen. Im besten Fall entsteht daraus eine Basis der Verständigung, im schlimmsten Fall eine Kakophonie von Assoziationen.
Alles auf einmal und von allem ein bisschen zu viel – der Medientheoretiker und Musiker Douglas Rushkoff nennt das den „Present Shock“, einen Zustand permanenter Überforderung durch die tägliche Dauerflutung mit Information. In seinem gleichnamigen Buch beschreibt Rushkoff die Fixierung auf die Gegenwart als eine Konsequenz der digitalen Entwicklungen, die eine permanente Verdichtung und Gleichzeitigkeit von Ereignissen und Problemlagen suggerieren. Im Unterschied zum Future Shock (Alvin Toffler), der die Menschen vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert auf die Zukunft geeicht und das Science Fiction Genre zu wahrer Blüte geführt hat, bedeutet der Present Shock ein Schrumpfen der Zeit auf die Gegenwart: Alles, was geschieht, geschieht jetzt. Und das ist eine ganze Menge. Kein Wunder also, dass wir versuchen, die Komplexität durch Begriffe einzudämmen, die ganz viel meinen können aber letztlich ganz wenig sagen. Dahinter steckt der Versuch einer Art Gegenwartsbewältigung: Möglichst viel in möglichst kurzer Zeit begreifen, weil daneben, dahinter, davor ja bereits soviel Neues lauert, das auch bearbeitet, interpretiert und ausgewertet werden will. Blöd nur, dass die Gegenwart sich dadurch nur immer mehr ausdehnt und alles Neue tendenziell zur Zumutung wird. Und so halten uns die Zeit-Geister fest im Griff ….