10 Dinge über Sardinien, die du schon immer wissen wolltest

Sardinien ist nicht Salento und dieses Jahr ist natürlich ganz anders als vergangenes Jahr. Trotzdem bleiben manche Dinge gleich. Zum Beispiel die Lust auf eine Auszeit während des langen Berliner Nicht-Winters und die Freude am gemeinsamen Reisen und Entdecken. Es geht dabei nicht um exotische Orte oder wahnwitzige Spektakel. Sondern eher darum, Zeit zu haben, um sich zum Beispiel mal eine Schnecke von unten anzusehen oder sich über mehrere Abende hinweg darüber Gedanken zu machen, warum die Coen Brüder dazu in der Lage sind, so unglaublich witzige, banale und zugleich hochphilosophische Dialoge zu schreiben.

Wir hatten jedenfalls phantastische Wochen auf Sardinien!

Alles begann mit einer nächtlichen Fahrt an der Küste entlang. Wir waren um ungefähr sieben Uhr abends in Cagliari gelandet – eine Stadt, die klingt wie aus einem Mafia-Film, in Wirklichkeit aber eher eine in die Jahre gekommene Industriestadt ist – schnappten unseren Mietwagen und fuhren gen Westen, unserem gemieteten Häuschen entgegen. Die Straßenführung in Cagliari muss man sich ungefähr so vorstellen, wie ein Teller voller Spaghetti: Die Straßen liegen über- und untereinander, dauernd gibt es Abzweigungen in Richtungen, die nicht unbedingt die intuitiven Lenkgewohnheiten mitteleuropäisch trainierter Autofahrer ansprechen. Wir fuhren über Dämme, die stinkendes Brackwasser vom Meer trennen, vorbei an Siedlungen, die “frutti d’oro” heissen aber weder frutti noch golden aussehen. Irgendwann strahlte uns von der Küste eine Chemiefabrik an, mit hoch in den Himmel ragenden Schornsteinen und begleitet von einem süßlichen Gestank. Hinter dem nächsten Hügel erwartete uns dann schließlich das kleine Städtchen Pula, unser Zuhause für die kommenden drei Wochen.

Heute sind diese drei Wochen um. Wahnsinn, wie schnell das wieder ging! Wir haben wie immer eine Menge gelernt, viel gelacht und gelesen und gelaufen und gelebt und geschrieben.

Von einigen Dingen wollen wir euch erzählen …

 

Wein

Die gute Nachricht: Es gibt Wein auf Sardinien! Er heisst Cannonau, Malvasia, Nuragus oder Vermentino. Die schlechte Nachricht: Die meisten Weinsorten klingen besser als der Wein schmeckt. Die beste Weintraube heisst Monica, ist eigentlich ganz lecker, aber es gibt einen Grund, warum sie nicht außerhalb der Insel bekannt ist.

Strände

Es gibt grandioseste Strände auf Sardinien. Weißer Sand und sanft geschwungene Dünen, glasklares Wasser zwischen ultramarin und türkis. Einsame Buchten und imposante Steilküsten, an denen sich die Wellen in weißen Schaumkronen brechen.
O mare mio!

Tankstellen sind keine Spätis aber trotzdem die zuverlässigste Konstante. Wenn man mit dem Auto im Land unterwegs ist, fallen einem durchschnittlichen Touristen verschiedene Defizite auf, wie z.B. fehlende Supermärkte. Stattdessen begegnen einem laufend Tankstellen. Und mit laufend ist gemeint: ca. eine pro Kilometer. Warum es überall leere, verlassene Tankstellen gibt, erschließt sich dem aufmerksamen Beobachter nicht. Ist es eine weitere Geldwäsche für die Mafia? Ist es eine fehlgeleitete von der EU geförderte Infrastrukturmaßnahme?

Tanken

Auf jeden Fall gestaltet sich das Tanken umso schwieriger. Es ist eine rätselhafte Wissenschaft. Zunächst muss man das Auto an eine Pompa stellen. Wichtig ist, dass man sich die Nummer der Pompa merkt, die wird später benötigt. Dann muss man sich auf die Suche nach einem Tankstellenautomaten begeben, der aber auch weit entfernt stehen kann. Diesem Automaten muss man unter Angabe der Pompanummer Geldscheine (bar!) füttern. Nun schnell zurück zum Auto, denn innerhalb von max. 6 Minuten muss das Benzin gepumpt werden.
Pluspunkt: Da diese Tankstellen sowieso immer verlassen sind, beobachtet einen zum Glück auch niemand während der ratlosen Erforschung der sardischen Tankstellenkultur.

Verkehrsinseln

Eigentlich haben Verkehrsinseln den Zweck, VerkehrsteilnehmerInnen auch in schwierigen und/oder unübersichtlichen Situationen möglichst einfach den richtigen Weg zu weisen. Nicht so in Sardinien! Hier ist es genau andersherum: menschenleere Straßen, der einzige Lärm an Kreuzungen kommt vom Scirocco (nicht das Auto, sondern der gleichnamige Frühlingswind) und dann das: Verkehrsinsel-Ungetüme mit 4 Zufahrtsschneisen für Linksabbieger, Rechtsabbieger, Geradeausfahrer und dann mindestens noch eine weitere in Beton vorgestanzte Schneise für keine Ahnung wen oder was. Wir jedenfalls sind bei jeder Kreuzung ins Schwitzen gekommen!

Sardinen kommen gar nicht aus Sardinien.

Kirchen

Man kennt das aus den Urlauben in südeuropäischen Ländern: traditionelle Kirchenbauten gehören zum Pflichtprogramm eines jeden Hobby-Fotografen: Hier ein schönes romanisches Kirchenportal, dort eine stolze Renaissancefassade oder ein majestätisches barockes Chorgestühl … Der Mehrwert fürs Fotoalbum ist gewiss und gilt epochenbübergreifend!

In Sardinien haben wir gelernt, dass Kirchenbauten dort offenbar erst seit den 1960er Jahren als Teil städtischer oder dörflicher Ensembles anerkannt sind. Und dass offenbar unter Architekten die Parole ausgerufen wurde: Je hässlicher desto besser! Jedenfalls sind Kirchen in Sardinien nach ästhetischen Gesichtspunkten allenfalls als Vorlage für Gotham City oder einen Film von David Lynch erträglich.

Gewächshäuser sind eigentlich schöne Bauten. Filigrane Strukturen, viel Glas in Stahlkonstruktionen, um Licht und Wärme herein zu lassen, damit kostbare Früchte wachsen können. Nicht so schön sind verlassene Gewächshäuser: Eingeworfene Scheiben, die noch vorhandenen sind blind. Im Innern wuchern undefinierte Pflanzen aus den Spalten im Betonboden. Ganze Landstriche sind übersät von verlassenen Gewächshäusern. Was wurde dort mal gepflegt? Warum hat man sie dem Verfall preisgegeben? Das Land gibt einem Rätsel auf.

Myrte

Nicht zu verwechseln mit Myrrhe ist die Myrte ein echtes Wunderkraut, das auf Sardinien überall wie Unkraut wuchert. Und genauso wuchernd sind auch die vielfältigen Funktionen und Bedeutungen dieser unscheinbaren Pflanze. Schon in der antiken Mythologie stand die Myrte für Schönheit, Ruhm und Heldentum, später wurde sie dann zum Glückssymbol für junge Paare, weswegen Brautsträuße früher häufig aus kleinen weissen Myrtenblüten geflochten wurden. Außerdem ist sie als Gewürz für Fisch- und Fleischgerichte zu empfehlen und das ätherische Öl der Myrte taugt als Heilmittel gegen so unterschiedliche Beschwerden wie Husten oder Akne.

Nuraghe

Sardinien ist nicht sonderlich reich an historischer Kultur, mit der man als bleicher Deutscher Italien verbindet.
Nie von Nuraghe gehört? Wir auch nicht. Bis wir überall an den sardischen Küsten auf alte Wehrtürme gleichen Namens stießen – Überreste, der legendären und geheimnisumwitterten Nuraghenkultur. Nuraghen sind kleine oder größere Türme aus Steinblöcken, die ohne Mörtel oder andere Verbindungsmaterialien aufeinander geschichtet wurden. Diese einsamen Türme, oder was davon noch übrig ist, stehen immer wieder in der Landschaft. Wir stehen davor und lernen: Sie sind tausende Jahre alt, und niemand weiß, warum sie gebaut wurden: “Ihr Zweck ist umstritten.”

Wir hatten jedenfalls eine Menge Spaß. Nicht nur in den letzten drei Wochen, sondern auch für Euch diesen Text und die Bilder zusammen zu tragen.

Bleibt uns gewogen,

Anja + Frieder

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