Urbane Klimazonen

Die Globalisierung macht, dass alles immer gleicher wird. Manchmal ist das pervers. Zum Beispiel Bangkok. Eine Stadt mit rund 10 Mio. Einwohnern und einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 28,5 Grad Celsius. Das bedeutet: es ist heiß, sehr heiß — laut der World Meteorological Association ist Bangkok die heißeste Stadt der Welt.

Die traditionelle thailändische Architektur geht mit dieser klimatischen Herausforderung gekonnt um. Die alten Häuser in Thailand sind aus Holz gebaut und bestehen meist aus mehreren verschachtelten Gebäuden, die über diverse Gärten und kleine Innenhöfe miteinander verbunden sind. Sie stehen auf Stelen, was in der Regenzeit vor Überschwemmungen schützt und Tiere fern hält. Außerdem entsteht auf diese Weise unter dem Haus zusätzlich ein schattiger und winddurchlässiger Ort mit hoher Aufenthaltsqualität.

Von diesen Häusern steht heute kaum mehr eines. Jim Thompson, dem amerikanischen Architekten, Designer und Begründer der thailändischen Seidenindustrie, ist es zu verdanken, dass einige dieser traditionellen Bauten in Bangkok besichtigt werden können. Thompson hatte in den 1950er Jahren mehrere traditionelle Häuser aus der alten thailändischen Hauptstadt Ayutthaya auf seinem Anwesen in Bangkok wieder aufbauen lassen. Heute ist das Anwesen ein Museum und eine grüne, schattige Oase.

Der Rest von Bangkok sieht anders aus. Wie alle anderen Megacities auf diesem Planeten huldigt auch die thailändische Hauptstadt einem internationalen Architekturstil, der die Standards setzt. Überall entstehen Hochhäuser mit sehr viel Beton, Glas und raumhohen Fensterfronten. Statt Luftzirkulation stickige Hitze wie in einem Treibhaus. Ohne Klimatisierung würde in diesen Glastempeln niemand überleben. Das bedeutet 10 Mio. Klimaanlagen für 10 Mio. Menschen (wenn man all die Büros, Shopping Malls, Schulen und Bahnhöfe mitrechnet, dürfte das ungefähr hinkommen).

Die Klimaanlage wurde 1902 erfunden, sagt Wikipedia. Wie hätten sich unsere Städte ohne diese Erfindung wohl entwickelt? Haben Klimaanlagen nicht letztlich zu weit mehr baulichen und gesellschaftlichen Veränderungen geführt als der ganze aktuelle Hype um all die technischen Gadgets und digitalen Technologien? Diese Frage stelle ich mir im klimatisierten Sky-Train sitzend, während draußen die flimmernde Stadt vorbeizieht.

20 Minuten später, Szenenwechsel: Shoppingmall, die Apotheose der Klimaanlage.

In Städten wie Bangkok zählen Shopping Malls zu den in mehrfacher Hinsicht coolsten Orten des urbanen Lebens. Hier herrscht ein permanent unterkühltes Klima und wenn man aus der schwülen Hitze des Tages kommend eine Mall betritt, atmet man sofort tiefer durch und Entspannung setzt ein.

Genau aus diesem Grund halten sich Menschen dort auch sehr gerne auf. Klar, man geht auch shoppen in der Mall, aber eigentlich geht es um andere Dinge. Man trifft Freunde, verabredet sich zum Dinner, geht ins Kino oder macht andere Sachen, die man gerne tut, wenn es weder zu heiss noch zu kalt ist. Vor allem für Jugendliche ist die Mall denn auch the place to be – und dazu gehört heute selbstverständlich auch das entsprechende ideologische Setting, was bedeutet, dass jeder zweite Shop irgendetwas mit „organic“ „healthy“ oder „ecological“ zu tun hat – egal ob es sich um eine Salatbar handelt, ein fashionlabel oder einen Schönheitssalon mit Botox-to-Go.

Und so schließt sich ein perverser Kreislauf: außen, in der wirklichen Welt gerät die Ökologie immer mehr ins Taumeln, während drinnen, in der Kühle der Mall gerne ökologisch konsumiert und relaxed wird. Blöd nur, dass niemand das Rauschen der tausend Klimamaschinen in den Wänden richtig deutet …

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